Sunday 8 November 2015

Warum die AfD gefährlich ist

Die Partei wächst rapide und nimmt inzwischen 50 Mitglieder täglich auf. In vielen vor allem ostdeutschen Wahlkreisen ist sie mit "Die Linke" gleichauf oder schon stärker. Ihre Methode ist so alt wie alle extremen Parteien: sie schürt und instrumentalisiert Angst für ihre Zwecke. Warum funktioniert das so gut und immer wieder?

Ganz gegen meine akademische Gewohnheit möchte ich Kafkas "Kleine Fabel" einmal politisch interpretieren.

Eine Maus läuft immer in dieselbe Richtung und hat Angst. Zuerst ist die Welt so weit und grenzenlos. Das macht ihr Angst. Vorübergehend ist sie glücklich, weil sie endlich Mauern links und rechts sieht, die ihr Orientierung und Sicherheit geben. Dieses Glücklichsein ist schnell vorbei, denn die Mauern eilen immer schneller aufeinander zu, und sie glaubt schon im letzten Zimmer zu sein und sieht schon die Falle, in die sie laufen wird.
Das Leben der Maus wird von Angst bestimmt. Sie probiert deshalb nichts aus, sucht keinen anderen Weg oder ein Mauseloch in der Wand, nein, sie läuft immer in dieselbe Richtung und glaubt zu wissen, dass kein Ausweg möglich ist und sie unbedingt in die Falle läuft.
Eine Katze muss ihr wohl gefolgt sein, denn die "Kleine Fabel" endet mit ihrem Lockruf: "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.

Die Katze war real. Sie wartete nur auf den richtigen Augenblick: irgendwann würde die Angst der Maus so groß sein, dass sie auch den schlechtesten, ja in diesem Fall tödlichen Rat annehmen würde. Gab es für die Maus keinen anderen Weg? Wir wissen es nicht, denn wenn uns die Angst vollkommen beherrscht, verschließen sich uns alle womöglich rettenden Wege. Die Katze, die uns fressen will und es auch tut, bemerken wir viel zu spät.

Differenzieren, abwägen, Möglichkeiten ausprobieren setzt einen gewissen Wohlstand und Schutz durch eine Staatsmacht voraus. Die griechische Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaft entstanden in recht geordneten Verhältnissen sozusagen. Wenn diese Verhältnisse nicht gegeben sind, läuft der tägliche Kampf um Nahrung und Wasser meistens auf ein "Der-oder-Ich" hinaus. Wer in der Wildnis einem wilden Tier gegenüber steht, kann sich den Luxus des Differenzierens und Abwägens nicht leisten. Da regeln entwicklungsgeschichtlich uralte Handlungsstrategien - Kampf oder Flucht - die Vorgehensweise. Zum Nachdenken bleibt keine Zeit.

Parteien wie die AfD nutzen das aus. Sie wachsen mit der Angstkonjunktur. Indem sie pausenlos auf das vermeintlich einzige Problem Deutschlands lautstark verweisen, lassen sie "die Wände so schnell aufeinander zueilen" (Kleine Fabel), dass "die Mäuse" keinen anderen Ausweg mehr suchen, sie wähnen sich schon im letzten Zimmer und sehen die Falle, in die sie laufen, wenn nicht, ja wenn nicht endlich der Retter kommt - die Katze, die sie frisst.

Es ist vollkommen legitim, gegen die verantwortungslose "Flüchtlingspolitik" der Regierung zu demonstrieren. Sich an den ausdrücklich eingeladenen Gästen zu vergreifen oder deren Unterkünfte zu zerstören, ist schändlich und muss streng verurteilt werden. Demonstrieren geht auch ohne AfD, Pegida und andere Angstmacher. Sie sind nicht im letzten Zimmer, und die Falle haben Sie auch noch nicht gesehen.    

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