Wednesday 11 November 2015

Vom liberalen Rechtsstaat zur Gesinnungsdiktatur

Bei einem Putsch geht's schnell. Ein paar Tage Schusswechsel, das ehemalige Staatsoberhaupt wird aufgehängt, das neue regiert - bis zum nächsten Putsch. Das merkt jeder. Was sich seit einigen Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland vollzieht, ist ein schleichender, nichtsdestotrotz unübersehbarer und spürbarer  Prozess.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes dachten auch an den berühmten Ausspruch Friedrich des II: jeder soll nach seiner Façon selig werden. Es ist klar, dass diese "eigene Façon" nicht gegen die preußischen Gesetze verstoßen durfte. Der liberale Rechtsstaat fordert daher keine Gesinnung ein, er verlangt nur, dass die Gesetze nicht gebrochen werden. Hohe Güter dieses Rechtsstaates sind die freie Rede und die Meinungsfreiheit, aber auch diese Rechte dürfen nur wahrgenommen werden, wenn sie nicht gegen das Gesetz verstoßen. So darf niemand öffentlich zu einem Verbrechen im Sinne des Gesetzes aufrufen oder Volksverhetzung betreiben. Ansonsten wird die freie Meinungsäußerung gewährleistet. In eine kurze Formel gebracht: in einem liberalen Rechtsstaat ist alles erlaubt, was nicht gesetzlich verboten ist. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass nicht verboten werden darf, was nicht gegen das Gesetz verstößt. Missliebige, unbequeme Meinungsäußerungen zum Beispiel werden in einem liberalen Rechtsstaat geduldet, auch wenn man sie nicht teilt oder sogar ablehnt.

Die DDR und ähnliche Staaten werden deshalb in der Regel Unrechtsstaaten genannt. Denn dort sind Gesetze zweitrangig, die können jederzeit gebeugt oder geändert werden. Das Primat ist die richtige, von der Partei diktierte Gesinnung. Missliebige Äußerungen, auch wenn sie nicht ausdrücklich gegen ein Gesetz verstoßen, werden bestraft. Die Strafen reichen von Berufseinschränkungen oder -verboten über Ausbürgerung bis zur Inhaftierung.
In der DDR wurde die richtige Gesinnung von unzähligen "IM" (inoffizielle Mitarbeiter der Stasi, also Denunzianten) ständig geprüft. Wer sich in der Kneipe verplapperte, wurde verpetzt und bekam Schwierigkeiten. Auch die derzeitige Kanzlerin spielte als "IM Erika" das lohnende Denunziantenspiel.

Die sogenannten Alt-Parteien der Bundesrepublik, also CDU/CSU, SPD und FDP fühlten sich mehr oder weniger dem liberalen Rechtsstaat verpflichtet, und das heißt, eine Gesinnung wurde von den Bürgern nicht eingefordert. Wer ein Gesetz übertrat, wurde verfolgt, gestellt und verurteilt. Und zwar vom Staat und nur von ihm. Der Staat besaß das Gewaltmonopol. De jure besitzt der Staat auch heute das Gewaltmonopol, aber de facto?

Mit den Grünen kam die richtige Gesinnung ins Land. Viele der Ur-Grünen waren enttäuschte "68er". Das unbelehrbare Proletariat hatte wieder einmal versagt, pfiff auf die Revolution und wendete sich sogar gegen seine Erlöser. Das ließ die selbstgerechten Menschen mit ausgeprägtem Erlöserkomplex nicht ruhen. Wenn der Arbeiter nicht will, die Natur will immer. Die wehrt sich nicht einmal und lässt sich wunderbar instrumentalisieren. Also wird die Natur erlöst, koste es was es wolle, und jeder, der auch nur ein ganz klein bisschen Mitgefühl hat, teilt diese Gesinnung. Ökologismus wurde das neue Primat. Eine Flut von geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen folgten dem Bürger überall hin. "Hey, hallo! Das gehört in die grüne Tonne, Sie Umweltschwein!". Eine inzwischen akzeptierte Zurechtweisung, die jedem Blockwart zur Ehre gereicht. Die selben Leute, die einst Musikanten, die "Freedom" ins Mikrophon krächzten, zu Wohlstand verhalfen, brachten immer neue Verordnungen und Verbote auf den Weg. Statt "Freedom" immer mehr Gängelung und Bevormundung.

Das bekannte Lied "Die Gedanken sind frei" stammt aus einer Zeit, als Maulkorb und Zensur in Deutschland herrschten. Durfte man auch nicht offen seine Meinung sagen, so tröstete das Lied, denn wenigstens (lautlos) Denken war erlaubt, denn die Gedanken konnte "kein Mensch wissen", "kein Jäger erschießen".
In seiner Dystopie "1984" lässt Orwell die Gedankenpolizei selbst die geheimsten Gedanken aufspüren, und das schwerste aller Verbrechen ist das "Gedankenverbrechen".

Ansätze zu einer Gedankenschnüffelei bestehen längst: es reicht nicht mehr, kein Gesetz zu brechen, man muss auch "hinter etwas stehen." Auch der gesetzestreueste Mülltrenner der Nation steht immer im Verdacht, "nicht wirklich dahinterzustehen", etwa wenn er das Ganze zwar mitmacht, aber lächerlich findet. Hier stimmt die Gesinnung nicht.

Zwar wird "Mobbing", also die boshafte Demütigung und soziale Isolierung von Arbeitnehmern oder Schülern inzwischen bestraft, vollkommen hilflos scheint der Staat gegenüber der "virtuellen Lynchjustiz" im Internet zu sein. Diese Lynchjustiz ("Shitstorm"), die für den Betroffenen ganz reale Folgen im realen Leben haben kann, wird nicht geahndet. Pech gehabt. Dabei wendet sich der Shitstorm nicht gegen Gesetzes-, sondern gegen "Gesinnungsbrecher". Wittert der Internet-Mob eine falsche Gesinnung, wird gnadenlos zum Halali geblasen. Das kann Nobelpreisträger treffen, die sich einen Scherz erlauben (Humor haben Gesinnungsschnüffler aller Art nicht), aber auch eine kleine Kummerkastentante, die einen Rat gegeben hat, der nicht gesinnungskonform ist. Die Existenz von Menschen wird vernichtet, nicht weil sie Gesetzesbrecher sind. Sie haben sich gegen die verordnete Gesinnung versündigt.

Die Wandlung vom liberalen Rechtsstaat zur Gesinnungsdiktatur ist vollzogen. Und kaum jemand beschwert sich darüber. Vielleicht, weil die Deutschen mit Freiheit nichts anfangen können? Liberté sagen die Franzosen zuerst, dann erst kommen egalité und fraternité an letzter Stelle. In der deutschen Hymne steht die Einigkeit zuerst. An letzter Stelle steht Freiheit.  


          

No comments:

Post a Comment

Ein Lügner glaubt keinem An dieses sehr tiefsinnige Sprichwort muss ich immer denken, wenn ich die Propaganda (in der Vor-Merkelzeit gab e...