Saturday 19 December 2015

Steinmeier droht

Europa, so Steinmeier, sei eine Rechtsgemeinschaft. Das ist neu und gilt auf keinen Fall für alle. Aber wenn jemand das Recht hat, Asylgesetze und Flüchtlingskonventionen zu verbiegen oder zu brechen, dann sind es die Deutschen.

Wenn nämlich die Herrenscheckaussteller beschließen, dass unkontrollierte Zuwanderung rechtens ist, dann muss der Osteuropäer kuschen.

Nachdem die undankbaren Polen ganz anders gewählt haben als Deutschland anbefohlen hatte, warnt Herr Steinmeier die polnische Regierung davor, „das Vertrauensverhältnis, das wir (also die Deutschen, JR) in den 25 Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aufgebaut haben, nicht aufs Spiel zu setzen.“

Deutsche bauen gerne Vertrauensverhältnisse auf, nachdem sie das Land und seine Bewohner selbst vorher in Schutt und Asche gelegt haben. Für diese Aufbauarbeit verlangen sie Folgsamkeit. Vor allem ist es den gnädig Umarmten streng untersagt, sich in die inneren Gefühlsangelegenheiten des Aufbauers zu mischen. Steinmeier erklärt das deutsche Wesen:

"Manche unserer Nachbarn machen es sich zu einfach, wenn sie mit dem Finger auf Deutschland zeigen und uns vorwerfen, dass eineinhalb Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak doch nur wegen deutscher Willkommenskultur nach Europa strömen.“

Niemand hat das Recht, mit dem Finger auf Deutschland zu zeigen. Dieses Fingerzeigerecht dürfen nur die Deutschen selbst in Anspruch nehmen, was sie auch pausenlos tun. Der deutsche Finger kreist belehrend über der ganzen Welt. Mal wird den USA gezeigt, wie man sich nach dem 2. Weltkrieg zu verhalten hat, mal wird Israel schlecht benotet, weil es trotz gründlicher Unterweisung  in den deutschen Besserungsanstalten Auschwitz und Treblinka das von den deutschen Lehrern vorgegebene Lernziel nicht erreicht hat.

Die Deutschen sind die einzigen, die aus allem alles gelernt haben, und deshalb ist es ihre Pflicht, allen anderen Menschen ihr gefühltes Wissen zu vermitteln. Anstatt sich artig bei ihren Meisterpädagogen zu bedanken, stellen sich die Osteuropäer quer. Leider taugt die Bundeswehr nicht mehr zum robusten Nachhilfeunterricht. Vielleicht könnte man diese unbelehrbaren Osteuropäer mit Lichterketten erdrosseln? 


Wir sind unbequem, ma non troppo

Neben den regierungstreuen Hofberichterstattern tummeln sich in Deutschland auch Kritiker, die nach eigener Auffassung gegen den Strom schwimmen und „unbequem“ sind und bleiben wollen. Das ist ihr Geschäft. Und das Geschäft läuft ganz gut, weil die Deutschen dringend Kritiker brauchen, die ihnen ihre Kritikfähigkeit bescheinigen.

Psychologisch kompliziert wird’s, wenn einige unter ihnen nicht nur Gegner fürs Geschäft, sondern dringend Freunde fürs liebeshungrige Gemüt brauchen. B.* gehört zu ihnen. B. teilt aus, dass die Schwarte kracht, tut sich aber sehr schwer mit dem Einstecken. Sobald sich ein Leser an B.s vermeintlich unsachlicher Polemik stört, sucht der Kritisierte einen öffentlichen Ort auf, um es dem Null-Checker mit Mediengewalt heimzuzahlen. B. kann sehr nachtragend sein.

B. wechselt oft und gerne die kritische Marschrichtung, wenn das Gegner-Kontingent, bzw. die Gegner-Obergrenze überschritten wird. Denn gedruckt (und bezahlt) werden will er unbedingt. Da muss er eben auch mal jeden Anstand beiseite legen und etwa die Opfer des Jugoslavienkrieges mit denen der deutschen Vernichtungslager vergleichen (tot ist schließlich tot), oder jede Skepsis ruhen lassen und über den „arabischen Frühling“ jubeln. Der Jubel schlug dann schnell in Kritik um, und der eigene Jubel von gestern ward vergessen.

Unbequem wie er ist, hat er sich auch gegen die deutschen Umwelthysteriker eingeschossen. In Island freute er sich wie ein kleines Kind darüber, dass es dort nur Benzin und Diesel gibt. Nur diese zwei Kraftstoffe, ganz ohne Plus und Minus und schädlich und gesund. Aber wehe, irgendwelche Konsumkritiker-Kasper würden fordern, dass zwei Senfsorten (mild und mittelscharf) im Kaufmannsregal reichen, weil sie zu allen Würstchen dieser Welt schmecken. Dann würde Kritiker B. Zeter und Mordio herbeischreiben. Ich beobachte B.s wechselhaftes Schaffen seit den 80er Jahren. Er ist der mittelscharfe Kritiker der Deutschen, der viel milde deutsche Liebe braucht. Deshalb mögen ihn viele Deutsche: er beschmutzt das Nest, entschuldigt sich dafür und macht es gleich wieder sauber.        

*der volle Name ist mir bekannt 

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