Tuesday 1 December 2015

Betrüger mit Heiligenschein

Keine noch so kleine Stadt ohne mindestens ein Dutzend „Charity Shops“. Je nach Gefühlslage und persönlicher Bindung kann jeder in England für die Herzforschung spenden, ausgesetzten Tieren helfen oder Kindern in Not was Gutes tun. Das Spenden wird leicht gemacht: einfach einkaufen gehen.

Selbstverständlich habe ich das auch getan und tue es auch heute noch, wenn auch aus anderen Gründen: es ist billig. Aber in den ersten Jahren ging es mir wie allen anderen herzensguten Engländern. Nach dem Einkauf hat man dieses schöne Gefühl, nicht nur für die Enkel was Nettes gekauft, sondern auch anderen Menschen in Not geholfen zu haben. So funktioniert das Geschäftsmodell, und es funktioniert gut.

In Camborne gibt es einen ganz unheiligen Second-Hand-Laden, der immer wieder den Besitzer wechselt. In den ersten zwei Monaten nach Geschäftsübernahme lächelt der neue Geschäftsinhaber hoffnungsvoll, öffnet täglich um 9 Uhr und läuft geschäftig in seinem Laden rum. Er bietet kleine und große Haushaltsgeräte und Möbel vom Tischchen bis zum Doppelbett an. Trotzdem hat er nicht die geringste Chance, denn sein Geschäft ist eingekeilt von drei „Charity Shops“, darunter von einem sehr großen, zweistöckigen, der die „Air Ambulance“ unterstützt. Inzwischen guckt der Inhaber des Second Hand-Ladens trübselig aus der Wäsche und öffnet um 11Uhr und auch nicht mehr jeden Tag. 

Der arme Kerl muss nämlich seine Ware einkaufen und muss sie teurer verkaufen, damit er wenigstens sehr bescheiden überleben kann. Steuervorteile genießt er auch nicht. Diese Sorgen hat die Charity-Industrie nicht: alle Waren sind Spenden. So kann der Kaufmann von nebenan leicht unterboten werden. Bietet der traurige Second-Hand-Mann ein dreisitziges Sofa für £120 an, das er vielleicht für £60 kaufen musste, steht so ein Sofa bei der „Air Ambulance“ für £99 im Fenster. 

Aber dafür dient das eingenommene Geld ja einem guten Zweck. Das denken alle, und ich dachte es auch. Bis ich mir einmal genauer angesehen habe, wie viel Geld genau dem guten Zweck zugeführt wird: pro eingenommenem Pound gehen stolze 10p bis 22p (je nach Organisation) an die großflächig beworbenen Bedürftigen. Der ganze große Rest geht in die Shop-Kasse. Mit anderen Worten, die edlen Läden erschleichen sich Wettbewerbsvorteile und können jeden ehrlichen Second-Hand-Verkäufer in den Ruin treiben. Nicht nur verkauft die Gewissens-Industrie geschenkte Ware, die heiligen Samariter genießen auch Steuervorteile, vom hohen Sozialprestige gar nicht zu reden. Diese Industrie gebärdet sich wie St. Martin:

Eines Tages, als Martin nichts außer Waffen und dem einfachen Soldatenmantel bei sich trug, begegnete er mitten im Winter, der von so außergewöhnlicher Härte war, dass viele erfroren, am Stadttor von Amiens einem nackten Armen. Dieser flehte die Vorbeigehenden um Erbarmen an. Doch alle liefen an dem Elenden vorüber. Da erkannte Martin, von Gott erfüllt, dass der Arme, dem die anderen keine Barmherzigkeit schenkten, für ihn da sei.

Aber was sollte er tun? Außer seinem Soldatenmantel hatte er ja nichts. Also nahm er sein Schwert und teilte den Mantel mitten entzwei. Den einen Teil gab er dem Armen, in den anderen Teil hüllte er sich wieder selbst. Etliche der Umstehenden begannen zu lachen, denn Martin sah mit dem halben Mantel kümmerlich aus. Viele jedoch, die mehr Einsicht hatten, bedauerten sehr, dass sie nicht selbst geholfen hatten, zumal sie viel wohlhabender als Martin waren und den Armen hätten bekleiden können, ohne sich selbst eine Blöße zu geben.

Allerdings teilen sie den Mantel etwas anders. Ein Stückchen vom Ärmel für die Armen, der Rest bleibt am eigenen Leibe. Wenn sich bei mir Klamotten zum Spenden angesammelt haben, gehen die direkt in die Altkleider-Container auf dem Tesco-Parkplatz. Dann kommt sogar der ganze Mantel bei den Bedürftigen an. Jedem Second-Hand-Verkäufer kann ich nur empfehlen, seinen Laden zum „Charity Shop“ umzumünzen.   

Ceterum censeo: Die AfD muss verhindert werden. Aber das geht nur durch vernunftgeleitete Politik. Und die findet in Deutschland nicht statt. 

Bei Plasbergs Vier Gute gegen eine Böse-Show „Hart aber Fair“ konnte sich Frau Petry wieder komfortabel als ein Opfer präsentieren, das von „den Etablierten“ zum Abschuss freigegeben wurde. Es überrascht nicht, dass der Kampf der kleinen „Davida“ gegen den etablierten Goliath von vielen Lesern der WELT und der FAZ heute beklatscht wurde. 

Frank Lübberding beschwichtigt in der FAZ zwar, die AfD sei keine Neuauflage der NSDAP, aber was genau spricht dagegen? Um die Macht übernehmen zu können, musste Hitler seine SA-Totschläger zurückpfeifen. Sonst hätte er das Bürgertum und den Restadel nicht für sich gewinnen können. Er musste seiner Partei einen seriösen Anstrich geben - solange, bis er fest im Weimarer Sattel saß. 
Sicher, da muss Petry noch nachbessern. Brandstiftung geht gar nicht. Noch nicht. Und  plump rechtsradikales Gegröle geht auch nicht. Noch nicht.    


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