Wednesday 9 December 2015

Je suis Troll

Herr Lobo, ich bekenne: ich bin ein Lobo’scher Troll. Haben Sie vor einiger Zeit noch das wöchentliche Hohelied über das fabelhafte Internet und seine kommunikativen Möglichkeiten gesungen, stellen Sie nun ernüchtert fest, dass nicht alle Diskutanten die richtige Ansicht vertreten und deshalb „trollen“, und zwar „von Donald Trump bis Frauke Petry.“ Mit diesem Von-Bis spannen Sie einen weiten Bogen vom Daumen bis zum kleinen Finger derselben Hand. Alle Achtung, das nenne ich Bandbreite.

Wer noch nicht genau weiß, welche Ansicht (Pluralität ist im Lobo’schen System nicht vorgesehen) die genau richtige ist, braucht nur bei Sascha Lobo nachzulesen: es ist seine eigene. 
Wenn etwa 5000 staatsfinanzierte Randalierer robust-pädagogische Maßnahmen gegen 200 Dresdner Spaziergänger ergreifen, geht das in Ordnung, denn diese 5000 vertreten, richtig, die gute, gültige Ansicht. Und wenn diese richtigen 5000 ihrer richtigen Ansicht durch Verbalinjurien in den einschlägigen Internetforen zu noch mehr Richtigkeit verhelfen, geht das in Ordnung. Aber richtig. 

Da abweichende Meinungen, auch wenn sehr moderat vorgetragen, per definitionem falsch sein müssen, werden sie von Hofschreiber Lobo als paranoid, rechtsextrem, ausländerfeindlich und islamophob bezeichnet. 

Herr Lobo, Ihre karnevaleske Irokesenfrisur macht sie noch nicht zum Aufmüpfigen. Sie müpfen nicht auf. Sie singen brav im Regierungschor. Ob Sie aber so lange brav weitersingen wie das Orchester auf der Titanic spielte, wage ich zu bezweifeln.  

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/soziale-medien-demokratie-knalleffekt-ersetzt-erkenntnis-kolumne-a-1066848.html

Die Pöbeleien im Internet

Natürlich wendet sich der in der eristiké téchne Geschulte angewidert ab, wenn er den Unflat in vielen Internetforen liest. Untersuchen wir aber die Struktur dieser Sprachunfälle, unterscheidet sich „die Hetze“ nur durch ihre abstoßende Vulgarität von den feinsten Polemiken der antiken Sophisten. 

Was wir zu lesen bekommen, ist die Eristik des Schulversagers. Die rhetorischen Figuren, von Gebildeten sprachlich virtuos und effektvoll eingesetzt, sind hier kümmerliches Gestottere. Trotzdem finden wir in diesen Sprachabfällen klassische Kunstgriffe:

Das argumentum ad hominem. Wenn das argumentum ad rem auf wackeligen Füßen steht, greift auch ein Staranwalt gerne zu diesem Mittel: so wird etwa die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in Zweifel gezogen, indem eine frühere Verfehlung angesprochen wird. Beispiel:

Als Sie meinen Mandanten gestern um 22 Uhr zu sehen glaubten, waren Sie doch hoffentlich nüchtern? Ich frage Sie das nur, weil Sie vor 2 Jahren wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurden. In der 
Regel folgt dann ein Einspruch, weil diese Verurteilung nichts mit der Sache (res) zu tun hat. 

In den Pöbelforen geht es natürlich nicht so fein zu. Da sieht ein argumentum ad hominem so aus: „Du bist ein Nazi - du bist eine linke Sau“ etc. Obwohl die Diskutanten sich untereinander nicht kennen, lässt man sich auf ein argumentum ad rem gar nicht ein. 

Gerne wird auch die Technik des „Strohmann-Arguments“ angewendet. In den feineren Polemiken wird die Ansicht des Gegners zunächst verzerrt (etwa durch Auslassungen, Hervorhebungen von Teilaspekten), danach widerlegt und möglichst glaubwürdig gemacht, dass man nun damit die ursprüngliche (vollständige) These widerlegt hat. 



Die dumpfen Forenschreiber arbeiten ähnlich. Schreibt jemand drei ganze Sätze, die einen Zusammenhang haben sollen, greift sich der Gegner einen Halbsatzfetzen und schließt daraus: du bist eine Nazi-Sau. Der Beschimpfte muss sich nun ins Zeug legen und fordern, dass bitteschön sein ganzer Beitrag (3 ganze Sätze) gelesen werden müsse.    

No comments:

Post a Comment

Ein Lügner glaubt keinem An dieses sehr tiefsinnige Sprichwort muss ich immer denken, wenn ich die Propaganda (in der Vor-Merkelzeit gab e...