Tuesday 5 July 2016

Möge mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen

Der Wunschtraum des jammernden Märtyrers ist nicht in Erfüllung gegangen. Der möchte nämlich auf keinen Fall, dass sein lauthals proklamiertes Ziel erreicht wird. Farage und Johnson sind solche Witzfiguren, die bis zum Pensionseintritt gegen die furchtbare EU zu kämpfen hofften, beklatscht von der linken Seite der Gauß’schen Normalverteilung, da wo’s Richtung Schwachsinn geht.  

Juristen und Rhetoriker dürften ihre helle Freude an dieser misslungenen Paraduktion haben. Der Plan ging schief, der Wunsch wurde erfüllt, und nun? Nun bleibt nur der Rückzug unter Beibehaltung der vollen Bezüge. Möge schnell Golfrasen über die Sache wachsen. Wer jetzt glaubt, dass jeder Depp inzwischen dieses verlorene Spielchen durchschaut haben müsste, sieht sich getäuscht. In der „Daily Mail“ finden wir eine Armee von Farage-Fans, die sich unbändig darüber freuen, dass der Held nicht nur sein wunderbares Ziel erreicht hat, sondern weiterhin volle Bezüge von eben der Institution EU erhält, die er abschaffen will. Putzig auch, dass der Begriff „Demokratie“ in jeder Zeile auftaucht, aber nicht nur in englischen Blättern. Und natürlich darf der Hinweis nirgends fehlen, dass Engländer eben „Demokratie können“. Damit wird behauptet, dass „Demokratieverständnis“ sozusagen vererbt wird. Kaum ist der Brite von der Nabelschnur getrennt, ist er Demokrat. Natürlich ist das unsinnig. Demokratie ist weder genetisch noch epigenetisch fixiert. Sie muss immer wieder neu gelernt werden. Es gibt keine demokratische Nation per se. 
Wir sagten es schon in einem früheren Beitrag: eine demokratische Entscheidung setzt gute Kenntnisse des Entscheidenden voraus. 

Um das einigermaßen zu gewährleisten, muss das Bildungssystem eines Landes entsprechend zuarbeiten. Fragt man den Durchschnittsbriten, was ihm zu Deutschland einfällt, sagt er sofort „Hitler“ oder „dictatorship“. A minore ad maius ist es heute die EU unter „German dictatorship“. Ich nehme hier ausdrücklich die gebildeteren Briten aus, die sehr angenehm und wunderbare Diskutanten sind. Es macht mir große Freude, mich mit ihnen in einschlägigen (Fach-)Foren auszutauschen. Bestürzend ist hier allerdings die weit auseinander klaffende Bildungsschere. Wir finden sehr wenig zwischen abstoßend dumm und gut gebildet. 

Wichtig ist jetzt meines Erachtens, dass die EU Ruhe bewahrt und auf den Antrag wartet. Dann wird verhandelt, und die Briten sollten genau zu denselben Bedingungen Zugang zum EU-Markt erhalten wie die Schweizer und Norweger. Die Zeit der Extrawürste muss ein Ende haben. 

Diesen Gastbeitrag eines Engländers(!) möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-bitte-behandelt-grossbritannien-mit-nachsicht-gastbeitrag-a-1100853.html

Und das ist mein Spiegelkommentar zu diesem Artikel:

Vielleicht ist es Einbildung

Ich lebe seit 20 Jahren im UK und glaube(!), ein geradezu bipolares Verhalten meiner britischen Mitmenschen zu beobachten: die "Brexiter" genießen ihren scheinbaren Aufwind und benehmen sich schroffer und abweisender. Dafür nehmen die anderen eine Art Entschuldigungshaltung ein. Ich komme gerade aus meiner Stammapotheke, und, tja, vielleicht Einbildung, aber die beiden Apotheker, die mit meinem Rezept beschäftigt waren, zeigten eine ausgesprochene Höflichkeit, ich meine, sie waren höflicher als sonst. Vielleicht gehören sie zu den nicht wenigen(!), die mit dem dummen Rest nichts zu tun haben wollen.

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