Sunday 25 June 2017

Das Gerücht - der Teufel möge es holen

Das Gerücht ist eine der widerwärtigsten Formen der Kolportage. Ob Hexenverbrennungen oder Judenpogrome. All diese Grausamkeiten haben ihren Ursprung im Gerücht. Theodor W. Adorno definierte Antisemitismus als "das Gerücht über die Juden".

Das vielleicht reifste Gebot der Tora* lautet: du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten. In einer rechtsstaatlichen Rechtsprechung finden wir es wieder unter falsche Anschuldigung, Verleumdung, Rufmord. Zu Recht werden diese Delikte schwer geahndet, denn Gerüchte können einzelne Menschen, aber auch ganze Gruppen zugrunderichten. Das reicht vom Verlust des Arbeitsplatzes bis zum Mord.

Ob ein Gerücht erfolgreich ist, also von vielen ohne Prüfung geglaubt wird, hängt vom Zeitgeist ab. In den Zeiten der Hexenverfolgung reichte schon die Behauptung einer eifersüchtigen Frau, die Nachbarin treibe Hexerei, aus, um den Scheiterhaufen anzuzünden. Je schneller sich ein Gerücht verbreiten kann, desto gefährlicher ist es für die Inkriminierten. Im Zeitalter des Internets ist es brandgefährlich. Erschwerend hinzu kommt ein geradezu endemischer und gefährlicher Denkfehler: wenn so viele es sagen, muss doch was dran sein.
Ich möchte mal an einem fiktiven aber nicht unwahrscheinlichen Beispiel zeigen, wie so eine Dynamik aussehen kann:

Herr A. ist wahnkrank. Selbstverständlich ist er der gegenteiligen Ansicht. Wie die meisten Paranoiker spürt er weder einen Leidensdruck, noch zeigt er Krankheitseinsicht. Im Gegenteil, alle anderen sehen "die Wahrheit" nicht. Herr A. ist davon überzeugt, dass sein Nachbar ihn vergiften will und zwar mit dem Wasser, mit dem er seinen Garten wässert. As Frau hat sich scheiden lassen und die Kinder mitgenommen. Ganz klar, auch sie ist blind oder kollaboriert mit dem Nachbarn. Herr A. erstattet Anzeige, und wir nehmen hier einfach an, die Polizei geht tatsächlich der Sache nach. Man entnimmt Wasserproben, analysiert, das Ergebnis ist natürlich negativ. Für A sagt das gar nichts. Der Nachbar war zu gerissen und hat die Proben ausgetauscht, das Labor hat einen Fehler gemacht oder noch wahrscheinlicher, die Polizei, ja alle "die da oben" sind daran beteiligt.

Bis hierher würde wohl jeder klar sehen, dass A "spinnt", dass er eben ein Paranoiker ist. Gibt es ja. Aber jetzt passiert's: A findet ein Internetforum mit sagen wir 1000 Teilnehmern, deren Paranoia ähnlich ausgelenkt ist. Alle 1000 sind davon überzeugt, dass der Nachbar ihnen schaden will. In diesen Foren wird nicht etwa kontrovers diskutiert, für und wider abgewogen, sondern hier bestätigt jeder jeden. Ein recht neuer und treffender Begriff für diese Foren ist "Echokammer". Die Teilnehmer wollen auf keinen Fall korrigiert werden, sie wollen nur ihr eigenes Echo hören. Herr A stellt befriedigt fest, dass 999 Foristen ihm recht geben. Dabei sind die über ganz Deutschland oder sogar weltweit verteilt. Das alles kann doch kein Zufall sein. Nun machen wir aus 1000 mal eben 100.000. Hunderttausend Internetteilnehmer behaupten zum Beispiel, in Israel werde alle 10 Minuten ein palästinensisches Kind getötet (kürzlich behauptet).  Belege dafür? Aber nein? Aber wozu auch? 100.000, in Worten hunderttausend Menschen können sich doch nicht irren. Da muss doch was dran sein?

Muss es eben nicht. Überhaupt nicht. Denken wir an Herrn A. Wir sehen aber deutlich, was Gerüchte, was gezielt falsche Behauptungen anrichten können, wenn sie multipliziert auftreten. Die Verfasser der Tora wussten das und haben deshalb dieses Gebot (Gesetz) formuliert. Eine falsche Behauptung wird nicht wahrer, auch wenn beliebig viele sie aussprechen.

Die Urheber derartiger Gerüchte sind beileibe nicht immer Paranoiker. Oft sind es schlicht bösartige Menschen. Und der Zeitgeist beflügelt das Ganze, denn Antisemitismus (auch in seinen modischen Verkleidungen) ist en vogue. Na, und für Merkels Gäste ohnehin das täglich Koran-Brot.

*Das Gebot wurde erst nötig, als sich städtische Strukturen bildeten (älteste Stadt ist Jericho), fremde Menschen also relativ eng zusammenlebten. Gerüchte konnten sich so schneller verbreiten.

 

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