Wednesday 7 June 2017

Die kinetische Uhr - Nicht Fisch, nicht Fleisch?

Ein witziger Zeitgenosse schrieb irgendwo im Netz, dass dem "Schuhtick" der Frauen der "Uhrentick" der Männer entgegengesetzt werden kann. Das ist wohl so. :-) Wie hier schon behandelt, geht es dabei um mechanische Uhren, Handaufzug oder Automatik. Der eine oder andere Uhrenbegeisterte hat wohl auch die eine oder andere Quarz-oder Funkuhr in der Kollektion, aber nur der Vollständigkeit halber, nicht weil diese Uhren begeistern können. Sie sind zwar hochpräzise, aber auch stinklangweilig. Männer mögen Mechanik.

Ich schaue zwar jedes Jahr bei der Schachweltmeisterschaft zu und erfreue mich dann auch an der Computeranalyse der Partien, aber die Weltmeisterschaft der Schachcomputer (Programme, um genau zu sein) interessiert mich nicht die Bohne, obwohl die Programme inzwischen viel stärker sind als jeder menschliche Schachspieler: Kasparov hatte mit weit über 2800 den bisher höchsten menschlichen ELO-Wert, der ELO-Wert der Spitzenprogramme liegt bei über 3200, für Menschen unerreichbar.

Zurück zu den Uhren. Gegen Quarz/Funkuhren wird oft der angeblich lästige Batteriewechsel ins Feld geführt. Das halte ich für albern. Eine gute Batterie hält viele Jahre, der Wechsel ist Minutensache. Dieselben Leute betreiben batteriebetriebene Fernbedienungen und diverse batteriebetriebene Bluetooth-Geräte, bei denen die Batterie viel häufiger gewechselt werden muss. Das ist also ein Nullargument, bzw. eine Rationalisierung: man(n) gesteht sich seine natürlich auch gefühlsbetonte Faszination, seine Begeisterung für die winzigen Rädchen und Schräubchen, für dieses Kunsthandwerk nicht ein. Deshalb das sehr lahme "Öko-Argument".

Aber nun hält das windige Öko-Argument für alles mögliche und unmögliche her. Öko zieht, Öko verkauft sich gut. Als die Quarzuhren den Markt eroberten (da war von "Öko" noch keine Rede) und vielen Herstellern von mechanischen Uhren das Leben schwer machten oder es sogar beendeten, kamen einige auf die Idee, beide Konzepte miteinander zu verbinden. Seiko entwickelte die kinetic automatic watch, die Schweizer entwickelten ähnliche Konzepte, ließen die Sache aber später wieder fallen. Mechanikpuristen waren und sind skeptisch: die "reine Lehre" ist perdu. Im Inneren dieser Uhren sitzt nämlich ein wieder aufladbarer Kondensator (neuere Modelle verwenden Lithium-Ionen-Batterien wie etwa Smartphones) mit dem Unterschied, dass die nicht an die Steckdose müssen, sondern durch Kinetik, das heißt, durch die Bewegungen des Trägers aufgeladen werden. Aufladen wie eine Automatikuhr, Ganggenauigkeit wie eine Quarzuhr, denn sie ist im Grunde nichts anderes. Der Kondensator (neuerdings LiIo-Batterie) treibt das Quarzwerk an. Ganz guter Vergleich: eine Fahrradlampe ist nicht mechanisch, auch wenn sie ihre Energie durch einen Dynamo, das heißt wiederum durch den Fahrer erhält. Ich habe lange mit mir diskutiert sozusagen: wenn ich's mir mal leisten kann, kommt eine Seiko- oder Pulsar-Kinetic in meine kleine Sammlung. Das Foto zeigt übrigens eine russische "Raketa" (Automatik), die ich für sehr wenig Geld aus der Ukraine erstanden habe. Leider ist von den großen, traditionellen Uhrenfabriken nur noch die "Vostok" aktiv. Nun, 80% der Russen kaufen chinesische Uhren.  

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