Sunday 2 October 2016

Vorsicht Umfrage

Wir werden fast täglich mit Wahlumfrageergebnissen belästigt. Egal, welche Zeitung man aufschlägt, schon schlägt einem das neueste Ergebnis entgegen, und wir wissen gleich, welche Partei geade im Auf- oder Abwind ist oder stagniert. Mancher mag das spannend finden, aber wer die Absicht erkennt, ist verstimmt:

Diese zweifelhaften Umfragen sind ein mächtiges Beeinflussungsinstrument. Die daraus entstehende  Dynamik ist bekannt als "self-fullfilling-prophecy", also eine Vorhersage, die sich bewahrheitet, weil sie gemacht wurde.

Es wird seit einiger Zeit die sogenannte "Schwarmintelligenz" herbeifabuliert. Da wird ein Phänomen aus der Tierwelt (z.B. Bienen oder Ameisen) plump und fälschlicher Weise auf die menschliche Gesellschaft übertragen. Diese "Schwarmintelligenz" lässt sich nirgends belegen. Der von mir verehrte Grigori Perelman etwa hätte mit Hilfe dieser Sorte "Intelligenz" sicher nichts zustande gebracht. Dasselbe gilt für unzählige Forscher, die zwar nicht unbedingt ganz alleine und abgeschieden, aber mit Hilfe nur weniger guter Freunde ihre bahnbrechenden Ergebnisse erzielten.

Viel interessanter und immer wieder belegbar ist dagegen die "Schwarmdummheit". Jeder kennt das "aber wenn es doch alle machen" oder wahlweise "aber die anderen machen das doch auch nicht" usw. Wir neigen dazu, uns (angeblichen) Mehrheitsmeinungen anzuschließen ohne ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Ausspruch "Leute, fresst Scheiße, denn 700 Milliarden Fliegen könnne sich nicht irren" stand vor einigen Jahrzehnten an vielen Uni-Klowänden.

Und weil die meisten Menschen so gestrickt sind, können Umfrageergebisse das Wahlverhalten stark beeinflussen. Nehmen wir an, es wird vorhergesagt, dass die Partei x die 5%-Hürde "wahrscheinlich nicht überspringen wird". Das kann  dazu führen, dass Wähler, die das Parteiprogramm eigentlich schätzen und eben diese Partei gerne wählen würden, es wegen "der verlorenen Stimme" lieber nicht tun. Ergebnis: die Partei erreicht genau deshalb die 5% nicht. Und die Wähler, die das durch ihre Verweigerung verursacht haben, sehen sich dann auch noch bestätigt: wie gut, dass ich meine Stimme nicht verschwendet habe. Lustig, oder?

Weil das so gut funktioniert, können Medien ganz gezielt eine Partei "hoch- oder niederschreiben". Kaum jemand überprüft, wie diese täglichen Umfrageergebnisse zustande kommen. Es reicht schon, wenn in der Überschrift steht "Umfragen ergeben: Partei x im Sinkflug". Schon wird die Dynamik in Gang gesetzt. Es ist sicher utopisch, anzunehmen, dass irgendwann genügend Menschen Kants "aude sapere!", (habe den Mut, deinen eigenen Verstand zu gebrauchen) beherzigen werden. Ich glaube es auch nicht. Trotzdem: als unverbesserlicher Aufklärer bitte ich Sie, es einfach mal zu versuchen.    


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