Monday 24 October 2016

Vorsicht Liebe

Lieben Sie Ihre Kinder? Ich liebe meine Kinder. Und wenn sie mich enttäuschen? Wenn sie etwas tun, das mir gar nicht gefällt, würde ich meine Enttäuschung zeigen, ich würde mit meinem Missfallen nicht hinterm Berg halten. Würde ich deshalb aufhören, sie zu lieben? Bestimmt nicht.

Warum gibt es eigentlich ein Ehe- aber kein Elterngelöbnis? Warum müssen Eltern nicht mit ihrem neugeborenen Kind zum Standesamt und geloben, ihr Kind zu lieben und zu ehren, ihm beizustehen in guten und in schlechten Zeiten? Eine mögliche Erklärung wäre, dass diese Liebe und die damit verbundenen Pflichten sich von selbst verstehen. In den meisten Fällen trifft das zum Glück auch zu. Ein Elterngelöbnis scheint also überflüssig zu sein. Umgekehrt ist es wohl nicht selbstverständlich, sonst wäre das Gebot, die Eltern zu ehren, überflüssig.

Aber schon von Paaren wird ein Ehegelöbnis verlangt. Schon hier wird eine immerwährende Liebe nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt. Deshalb gibt es das Eheversprechen, an das man sich ab und zu erinnern sollte, wenn's in schlechten Zeiten mal kracht.
Wir sehen, wie vorsichtig man mit dem Liebesbegriff umgehen muss, wenn Menschen gemeint sind. Er ist nämlich tatsächlich sehr eng. Das ist evolutionsbedingt. Wir lieben keine größeren Kollektive. Diese scheinbare Liebe zu größeren Verbänden (Dorf, Stadt, Land, "Menschheit" usw.) wird indoktriniert. Wir lieben uns selbst und unsere Familie, unseren (buchstäblich) Nächsten. Das war's.  Schon unsere "besten Freunde" lieben wir nur bedingt, das heißt, nur so lange sie uns nicht enttäuschen. Wenn das geschieht, ist's schnell aus mit den besten Freunden fürs Leben.

Ich misstraue allen "Philoisten" (giech.: philein = lieben). So nenne ich hier mal all diese nach eigenen Angaben Volks-oder gleich Weltumarmer, die eben das Unmögliche behaupten (ohne es je beweisen zu müssen). Diese scheinbare Liebe ist nicht nur fragil, sie schlägt oft, wenn enttäuscht, in Hass um. Ein berühmtes Beispiel ist der junge Luther, ein glühender Philosemit, also einer, der die Juden liebte. Bedingungslos? Aber nein, er erwartete von den Objekten seiner falschen Liebe die Unterwerfung. Er hielt sie für besonders befähigt, stramme Protestanten zu werden. Sie enttäuschten ihn. Weil sie sich nicht, wie von Luther erwartet, selbst aufgaben, verwandelte sich seine falsche Liebe in richtigen Hass. Er wünschte ihnen den Tod, wollte sie und ihre Synagogen niederbrennen.
Wir können weder größere Kollektive noch unsere Feinde lieben. Liebe deinen Nächsten wie (auch) dich selbst. Damit ist alles getan.

Dass man im damaligen Judaea die römische Besatzungsmacht mit "Feindesliebe" und "rechte Wange-linke Wange" beschwichtigen musste, versteht sich von selbst. In den unruhigen Zeiten wollten die Römer natürlich wissen, was diese modische jüdische Sekte um diesen Nazarener im Schilde führte. Waren Aufstände zu befürchten? Wäre es nicht besser, die möglichen Aufrührer gleich an die Löwen zu verfüttern? Nein, nein, keine Angst, Genosse Römer, wir lieben euch, und wenn ihr uns auf rechte Wange schlagt, halten wir euch die linke auch noch hin.

Na und? Die französische Vichy-Regierung hat gegenüber den deutschen Besatzern auch nichts anderes gesagt (wenn auch mit anderen Worten). Und sicher kam dieses "Notstandsgebot", das zusammen mit dem Notstand bestimmt verschwinden sollte, allen zukünftigen Herrschenden sehr gelegen. Es ist doch schön, wenn Untertanen auch die verkommensten und brutalsten Herrscher lieben müssen und artig alle Wangen zum Draufschlagen hinhalten.
   

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