Friday 2 September 2016

Gute Atome, schlechte Atome

Thees Kalmer ist eine grüne Politikerin und findet den Iran irgendwie gut. Sie hat sich auch prima mit ihrem Spaltungsirresein arrangiert (Eugen Bleuler prägte dafür den Begriff Schizophrenie). Das geht so: zu Hause in Deutschland sind Atome ganz böse, also Atomkraftwerke und so. Und dagegen muss alles getan werden. Die Teufelsdinger müssen alle abgeschaltet und ganze Deutschland muss mit Windrädern vollgepflastert werden. Natürlich nicht in der eigenen Umgebung, da möchte man eine schöne Aussicht und subventionierte Sonnenkollektoren auf dem Dach, weil man die nicht so sieht.

Ganz anders sieht das im Iran aus. Thees Kalmer befürwortet den "Atom-Deal", damit der Iran ganz friedlich die Atomenergie nutzen kann, denn im Iran scheint wahrscheinlich nie die Sonne, und außerdem kann man mit Sonnenkollektoren Israel nicht zerstören. Spaltungsirresein. Die Politikerin meint, man solle mal in den Iran fahren und sich mit den Menschen auf der Straße unterhalten. Famose Idee. Waren Sie schon mal irgendwann in Israel? Wenn ja, können Sie dem Lockruf der grünen Kalmer leider nicht folgen, denn in den Iran darf niemand einreisen, der schon einmal in dem Land war, das von dieser Erde ausradiert werden soll. Sollten Sie sogar Jüdin oder Jude sein, können Sie die Reise gleich vergessen. Aber das ficht die Iran-Kennerin nicht an. Sie räumt ein, dass Hinrichtungen nicht immer schön sind, aber zur Kultur gehören. Und wenn Homosexuelle an Baukränen aufgehängt werden, schaut die gute Grüne lieber auf die Menschen, mit denen man sich unterhalten soll. Dieselbe Grüne, die Zeter und Mordio kreischt, wenn ein Steine werfender Palästinenser eine Ohrfeige bekommt, lässt die Mullahs munter foltern und hinrichten. Viel wichtiger sei es, sich mit den Menschen auf der Straße zu unterhalten. In welcher Sprache unterhält sie sich andauernd mit diesen Menschen auf der Straße? Das bleibt unklar. Sollte es Englisch sein, werden es vielleicht vom Regime handverlesene Jubelperser sein, die der dummen Pute aus Deutschland jedes Märchen verkaufen können. Wenn Frau Kalmer demnächst nach Nord-Korea fährt, wird sie auch jede Menge gut genährte Statisten treffen, die ihr ganz liebe Sachen über dieses schöne und friedfertige Land erzählen.

Thees Kalmer wird auch ganz böse und betroffen, wenn Balkanländer als sichere Länder eingestuft werden. Das geht ja überhaupt nicht. Diese Länder sind vielleicht für deutsche Touristen sicher, aber bestimmt nicht für traumatisierte Einzelflüchtlinge mit psychischen Problemen. Erstens gibt's dort nicht so viel Staatsknete für die Kriegserschütterten, zweitens ist die Internetverbindung manchmal nicht so gut,  und drittens stellen die Touristen bestimmt eine große Gefahr dar für die verwirrten Einzelschutzsuchenden mit Depressionen.

Thees Kalmer ist erst kürzlich aus der "grünen Jugend" rausgewachsen und gibt jetzt die vollreife Politfrau. Sie lässt uns erahnen, wie wir uns die Zukunft mit grünen Politiker*innen vorzustellen haben. Mir gefriert bei der Vorstellung das Blut im Leibe.    


Engländer entdecken Reger

Und ich freue mich darüber. In den 20 Jahren hier im Königreich hörte ich viel, sehr viel Musik aus deutschen Landen. Hier gibt es zwar nur einen Radiosender für Menschen meiner Art (BBC Radio 3), aber der ist dafür erstklassig und läuft bei mir immer, wenn Radio läuft. Ich freue mich, dass Haydn hier zu Recht genauso hoch gehandelt wird wie Mozart, aber einiges vermisste ich in dem Sinne, dass mir ein "nanu, wo ist er denn?" durchs Gemüt zog. Wo bleibt Max Reger? Gut, der 1916 verstorbene Komponist ist auch in Deutschland nicht oft zu hören, aber im 100sten Todesjahr wird schon das eine oder andere gespielt. Vornehme Pflicht halt.

Adorno orakelte einst, dass Reger irgendwann neu entdeckt und bewertet werden wird. Es wird Zeit. Ich gebe zu, ich bevorzuge seine eher berühmten Orgelwerke nicht. Mir sind sie zu fett, jedenfalls wenn sie mit doppelrahmfetter Registrierung gefetzt werden und die hochkomplexe Kontrapunktik im Pfeifengeschwalle untergeht. Aber das ist selbstverständlich Geschmacksache. Aber seine Chorwerke? Vor allem seine Bearbeitungen bekannter Volkslieder wie "Der Mond ist aufgegangen" oder "Es waren zwei Königskinder"? Was für eine Satzkunst. Wie berührend. Wie anrührend. Ich konnte die Königskinder noch nie ganz unverheult hören. Und ich kenne jede Note. Vielleicht sind es die auch von Reger geliebten "verdurten Parallelen" (Beispiel: C-Dur - Parallele a-moll - verdurt: A-Dur)? Die haben mich schon als Kind immer umgehauen. Wenn sie sparsam und gekonnt eingesetzt werden, bringen sie plötzlich eine Strahlkraft hinein, eine eigentümliche Klarheit wie ein frostiger, herrlicher, sonniger Wintermorgen. "Es ist ein Ros' entsprungen" ertrage ich nur im Originalsatz von Michael Prätorius. Denn er weiß genau, wann sie als Steigerung eingesetzt werden muss, die verdurte Parallele, sodass diese Gänsehaut, dieses Erschauern bei mir über den Rücken läuft. Wer diese Stelle beim "Arrangieren" auslässt, sollte die Finger von der Musik lassen. Regers "Nachtlied" gehört auch zu den schönsten Chorsätzen der Spät- und Nachromantik. Seine Klavierwerke sind auf jeden Fall eine Hörreise wert. Wenn mich auch sein frühes doch sehr romantisch-geschwollenes Klavierkonzert nicht vom Hörsessel haut, seine späten "Träume am Kamin" sind wunderbar, und wer sich die Finger verrenken will, darf sich an der unglaublich schweren Fuge aus op 81 versuchen.
Nun dürfen wir Reger bei den Proms erleben. Ich freue mich darüber.

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