Thursday 8 September 2016

Aller Anfang ist zu leicht
Sie kennen das Sprichwort wahrscheinlich nur in seiner Negation. Früher galt tatsächlich, dass der Anfang immer schwer ist, aber wenn man erst mal angefangen hat und dran bleibt, wird's immer leichter. Man musste sich erst überwinden, aber auch die Konsequenzen seines Handelns wollten wohl bedacht und durchgerechnet werden. Ist das neue Haus wirklich finanzierbar? Bevor ein Vertrag unterschrieben wurde, galt es, das Kleingedruckte zu lesen und die Belastungen streng zu kalkulieren.

Jahrzehntelange Werbung hat es recht erfolgreich geschafft, diese Vorsicht bei vielen Konsumenten aufzuweichen. Um einmal die Freud'sche Terminologie zu bemühen: der anale Charakter (ich bin, was ich habe) wurde in den oralen verwandelt (ich bin, was man mir gibt). Sofortige Befriedigung der Bedürfnisse, bloß kein Zögern, bloß kein Rechnen. Ich will es haben, und ich will es sofort. Was innerhalb des ersten Lebensjahres völlig normal ist, wird später zur Regression, das heißt zum Rückfall in eine Lebensphase, die normaler Weise überwunden sein sollte.

Die erschreckend vielen Privatinsolvenzen zeigen, dass kaum noch "anal" gerechnet, sondern "oral" alles aufgesaugt wird, was die verführerische Markt-Brust so hergibt. Was geschieht, wenn man kurz nach einem Impulsiv-Kauf feststellt, dass man sich geirrt und übernommen hat? Das kommt darauf an, wie weit man schon drinsteckt in der Misere. Wird der Irrtum schnell bemerkt, wird man versuchen, den Schaden zu begrenzen und seinen (Kauf-)Fehler sofort zu korrigieren. Oft auch mit Verlust und mit dem galligen "weg mit Schaden" im Kopf. Aber immerhin, man ist raus aus der vermaledeiten Sache und versucht, so einen Fehler nicht noch mal zu begehen.

Verzwickt wird's, wenn man zu lange an dem Fehler festhält und sogar noch weiteres Geld investiert. In der Wirtschaft nennt man das "sunk-cost-fallacy". Man glaubt, dass man irgendwann so viel investiert hat, dass ein Abbruch dieses verhängnisvollen Unternehmens nicht mehr möglich ist. Dieser Trugschluss - es wird schließlich jeden Tag teurer! - wird durch unsere menschlich-allzumenschliche Eitelkeit begünstigt. Wer will oder kann sich ein Scheitern eingestehen? Wer erträgt diesen Gesichtsverlust? Also wird etwas erzwungen, was längst gescheitert ist. Man pumpt noch mehr Geld in die verlorene Sache in der irrigen Hoffnung, dass es doch noch erfolgreich sein würde - wenn man nur ganz fest daran glaubt und immer weiter investiert.

Sie merken schon, wie hier wirtschaftliches und politisches Handeln zur Deckung gebracht wird. Denn tatsächlich hat sich die orale Regression auch auf den Regierungsbänken breit gemacht. Immer mehr Entscheidungen werden impulsiv getroffen, konsequenzlogisches Denken findet nicht mehr statt. Es wird blind getan, die Konsequenzen werden nicht mehr bedacht und schon gar nicht durchgerechnet. Und das Scheitern wird nicht akzeptiert, im Gegenteil, ein verhängnisvolles "Jetzt erst recht" wird rücksichtslos durchgepeitscht. Bis - ja bis zum Zusammenbruch. Das ist nämlich immer die Folge. In der Wirtschaft und in der Politik.


Aber andererseits...
...ist Merkels Politik nicht ohne Reiz. Ab und zu während der letzten 40 Jahre habe ich mich einem Gedankenexperiment unterzogen. Ich schlüpfte in die Rolle eines Historikers aus dem Jahre 2200.

Bei Sichtung der Vorkommnisse im 20. Jahrhunderts muss ich mir immer wieder die Augen reiben. Kann das alles stimmen? Da ist dieses Deutschland, die Deutschen. Sie zetteln die furchtbarsten Kriege der Weltgeschichte an, der zweite große Krieg fordert rund 20 Millionen Tote, über die Hälfte der 11.4 Millionen europäischen Juden werden verjagt oder bestialisch in den Todesfabriken ermordet. Eichmann wird gestoppt. Sonst hätte er den Plan erfüllt, vielleicht sogar übererfüllt. Dann die gerade noch rechtzeitige Kapitulation. Denn die Hiroshima-Bombe ist als Dresden-Bombe geplant, falls die Kapitulation verweigert werden sollte. Der starrsinnige japanische Kaiser hat dann die Strahlung abbekommen, denn der verweigert die Kapitulation gleich mehrmals.

Was geschieht dann? Nach den Aufräumarbeiten bekommen die furchtbaren Mörder den Marshall-Plan, werden gepampert, und kurz darauf beginnt das Wirtschaftswunder. Es dauert nicht lange, und die ersten VW-Käfer rollen gen Italien als wäre überhaupt nichts geschehen. Wie kann das sein? Warum wird das Mörderland nicht dem Erdboden gleichgemacht, seine Mörder-Bevölkerung nicht in Strafkolonien verbannt? So wie es sonst immer passiert ist. Was ist da los? Jetzt sehe ich es. Ich sehe den historischen Glücksfall für die Mörder: die USA und die Sowjetunion haben sich zerstritten. Der Kalte Krieg kommt den Deutschen sehr gelegen. Sie werden als Pufferzone gebraucht. Schwein gehabt. Wie sieht's mit der Reue oder besser Trauer aus? Was für eine Reue? Was für eine Trauer? Niemand weiß von gar nichts. 80 Millionen Blind-Taubstumme, die nichts bemerkt haben wollen. Ach, ich sehe: Zeichen werden gesetzt. Sühnezeichen und so, ab und zu ein Gedenktag, an dem man so tun muss, als ginge es einen was an. Aber so ein Tag geht zum Glück vorbei. Wenigstens benehmen sie sich einigermaßen, aber nicht lange. Schon schwingen die Antisemiten wieder ihre Reden, dieses Mal verkleidet als "Anti-Zionisten" im Osten und "Israel-Kritiker" im Westen. Und sie schämen sich nicht, den Überlebenden der deutschen Todesfabriken in widerwärtigster Oberlehrermanier Verhaltensvorschriften zu erteilen.

Wie kann das alles sein, denke ich im Jahre 2200. Wie kann es sein, dass die Deutschen die Menschen, von denen sie so innig geliebt wurden, so unvorstellbar bestialisch ermorden? Und wie kann es sein, dass keine Ahndung, keine Strafe, nichts folgte? Ich muss zu dem befremdlichen Ergebnis kommen, dass sich angefangene Weltkriege und Auschwitz und Treblinka für die Deutschen gelohnt haben. Ich versuche vergeblich, einen ähnlichen Fall in der Geschichte zu finden. Ich finde ihn nicht.

Aber dann, endlich, genau 70 Jahre später, am 4. September 2015 holt die deutsche Kanzlerin ein paar Millionen Menschen ins Land, die der deutschen Kultur ablehnend gegenüberstehen, die ihre barbarische Lebens- und Sterbensweise nach Deutschland bringen und fleißig dabei sind, Deutschland in ihren strunzdummen und mörderischen Sumpf zu ziehen, beklatscht von einer verrückt gewordenen Bevölkerung.

Man könnte das eine sehr späte Abrechnung nennen. Und das Reizvolle an ihr ist, dass sie von den Deutschen selbst initiiert wurde. In diesem Sinne ist Merkels Politik nicht ohne Reiz...    

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