Sunday 4 September 2016

Mozart mal wieder

Nachdenken über Musik? Hier auf diesem politisch-polemischen Blog? Warum nicht? Der Blog ist auch ein Tagebuch. Und bei Mozart geht's auch um Freiheit, ihre Einschränkung, Kontrolle und Lenkung durch andere.

Goethe charakterisierte die manisch-depressive Bettina von Brentano so: himmelhochjauchzend zu Tode betrübt. Ich habe lange gebraucht, um Mozarts musikalische Sprache zu verstehen oder wenigstens etwas zu verstehen. Als Jugendlicher war ich in Beethoven vernarrt. Seine Sprache ist die des selbstbewussten Bürgers. Klare Kante. Jetzt bin ich traurig, jetzt heiter, jetzt mache ich einen kleinen Spaß. Ohren geradeaus. Scharfe Kontraste zwar (radikal etwa im Scherzo aus op 27/1), aber keine Brechungen wie wir sie bei Mozart finden. Mozarts Sprache ist verzwickt; immer wieder kippt das Anmutige, Zarte, Fröhliche plötzlich ins Schwermütige. Dann in der Reprise hören wir geradezu die Hegel'sche Dialektik: das Fröhliche hat eine tückisch melancholische Färbung angenommen. Erst Schubert wird diese musikalische Sprache weiterführen, fiebrig, immer schwankend zwischen Dur und Moll, immer nahe am Abgrund und in der Winterreise schließlich im Abgrund selbst .

Heute auf meinem Weg zu Aldi hörte ich Mozarts Streichquartette durch die Kopfhörer. Immer wieder erstaunlich für mich: so wunderschön die sehr frühen Quartette sind; ab K170 finden wir eine andere, neue Dimension. Mozart hatte Bach studiert. Eine Zäsur. Wir finden kontrapunktisches Durcharbeiten, finden einen unglaublichen Reichtum an harmonischen Wendungen, die den ersten Quartetten bei aller Anmut noch abgehen.

Was mir bis heute ein großes Rätsel ist: der achtjährige Mozart studierte in London bei Christian Bach, dem "Londoner Bach". Trotzdem scheint es, dass Christian seinen großen Vater nicht erwähnte und dessen Werke nicht unterrichtete. Mozart wird Bach erst viel später kennenlernen, und als er auf einer seiner Reisen zufällig eine Bachkantate hörte, sprang er von der Kirchenbank und rief begeistert: "Endlich etwas, aus dem sich was lernen lässt!" Nach diesem Ur-Erlebnis studierte er geradezu besessen den Meister aller Meister, bearbeitete Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier für Streichquartett - und wurde so selbst zum Meister.

In dem Zusammenhang möchte ich den vielleicht größten Schatz der Musikgeschichte erwähnen: Das Londoner Skizzenbuch des Achtjährigen. Hier und nur hier war er frei. Frei vom Musikgesinnungsschnüffler Leopold, auch frei von Christian. Hier waren seiner ungeheuren Phantasie keine Zügel angelegt. Niemand sah ihm über die Schulter und korrigierte herum. Das Skizzenbuch hat es wahrlich in sich. Und Mozart hat es nie vergessen. Wir finden noch in seinen späten Werken Motive und Themen aus diesem kleinen Reich der Freiheit.  

Was sagt er, was denkt er?

Thomas de Maizière hat's nicht leicht. Er muss lügen, dass sich selbst die stärksten Balken biegen. Hier zwei Beispiele:

Die zu erwartende Wahlniederlage in Meck-Pomm hat nichts mit Frau Merkel zu tun. Das sagt er.
Und das denkt er: Die dämliche Ost-Trulla hat uns den Wahl-Gau beschert. Ab zurück in die Uckermark, du blöde Kuh! Halt dich fern von der CDU!

Rechtspopulistische Parteien haben in ganz Europa Erfolg. Das hat nichts mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu tun. Das sagt er.
Und das denkt er: Ist das ein Wunder? Diese SED-Schnepfe hat ja auch ohne zu fragen ganz Europa beschädigt mit ihrem Wahn!

Das Muster dürfte klar sein. Die nächsten Übersetzungsübungen gebe ich Ihnen als Hausaufgabe. Natürlich nur ganz freiwillig, und nehmen Sie alles unbedingt mit viel Humor. Wir erwarten viele Lügen dieser Art in den nächsten Wochen.

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