Wednesday 28 September 2016

Eine Woche mit dem Billigstheimer

Eine Smartphone-Besprechung? Hier? Keine Angst, das wird keine übliche Besprechung. Ich werde Sie nicht mit Benchmarks und Dutzenden von Vergleichen langweilen. All diese Daten kann der Interessierte auf den einschlägigen Internetseiten finden. Es geht mir um etwas anderes, und deshalb stelle ich Ihnen zwei Restaurants vor, die kürzlich in Ihrer Straße Eröffnung feierten:

Ich setze hier einfach voraus, dass Sie Currywurst mit Pommes gerne essen. Wenn nicht, ersetzen Sie die Mahlzeit durch eine andere Ihrer Wahl. Wir gehen zunächst zu "Kalle". Das Ambiente ist sehr einfach gehalten, die Bedienung ist nicht die allerschnellste, und die Aussicht ist auch nicht atemberaubend. Eine einfaches Schnellrestaurant. Die Currywurst mit Pommes schmeckt nicht schlecht. Nun, die Wurst könnte etwas krosser, die Soße etwas schärfer sein, aber insgesamt kann man nicht meckern. Eine Portion kostet bei Kalle 5 Euro.

Gleich gegenüber hat "König Kalle" eröffnet. Doch, das Ambiente ist schon toll, man sitzt bequemer, gleich drei Angestellte sorgen für eine flotte Bedienung. Die Currywurst ist schön kross, die Pommes ebenfalls, und die Soße ist schön scharf. Auch die Aussicht ist schön. Also, gar keine Frage, "König Kalle" ist besser als "Kalle", und deshalb sind wir auch bereit, für eine Currywurst mit Pommes mehr zu bezahlen. Und nun die Preisfrage (sic!): Wieviel mehr wären Sie bereit zu zahlen? Sagen wir, das Doppelte? Also 10 Euro. Ja, ab und zu und vor allem wenn Sie Gästen zeigen wollen, wie toll eine Currywurst schmecken kann, wären Sie wohl bereit, das Doppelte zu bezahlen. Wie sieht's mit dem Dreifachen aus? 15 Euro. Jeder hat seine eigene Preis-Schmerzgrenze, aber ganz ehrlich: wären Sie bereit, auch das Dreifache zu bezahlen für den etwas besseren Geschmack und das schönere Ambiente? Oder hätten Sie das Gefühl, dass die Relation nicht mehr stimmt? Die Frage muss sich jeder selbst beantworten. Aber hier geht es mir darum, zu zeigen, dass wir bei diesen alltäglichen Dingen aus der "Brot-und-Butter-Welt" noch ein ganz gutes Gespür für Preisverhältnisse haben.

Mit dieser Überlegung im Gepäck geht's nun zu einem Smartphone, das mir die recht neue chinesische Firma Blackview freundlicher Weise zu Testzwecken zur Verfügung gestellt hat. Ich nenne es hier das "Kalle-Phone", damit wir unsere Currywurst und damit das Gespür für Preisverhältnisse nicht verlieren.

Das Blackview BV2000s ist ein 5-Zoll 3G Phone. "3G" war noch vor nicht langer Zeit Standard, heute ist es 4G LTE, eine Verbindung, die einen schnelleren Datendurchsatz erlaubt, das heißt, das Runterladen geht erheblich fixer. Das Phone läuft mit Android 5.1, also nicht mit der allerneuesten Version Marshmallow (Nougat folgt demnächst). Das Phone hat keinen Fingerabdruck-Sensor, dafür eine Spracherkennung. Das heißt, man kann mit z.B. mit einem gesprochenen "Sesam öffne dich" das Phone entsperrren. Die Spracherkennung funktioniert so lala. Wer morgens etwas heiser ist, in einer etwas anderen Stimmlage oder etwas undeutlicher spricht, wird nicht erkannt. Auch wenn Hintergrundgeräusche/-musik stören, klappt's nicht immer. Aber dann tippt man eben den Code ein. Das Tippen funktioniert meistens gut, ab zu zu muss man mehrmals tippen und immer etwas unterhalb des Buchstabens, der Zahl. Daran gewöhnt man sich aber schnell. Das Phone hat auch keine NFC (= near field communication), sodass ein Datenaustausch zwischen nebeneinander liegenden Telefonen oder auch die Bezahlung am Kassenscanner nicht möglich sind. Ansonsten kann man mit diesem Phone alles machen, was erwachsene Menschen mit einem Smartphone tun. Ich betone das, weil ich Daddeln und z.B. Pokémon Go udgl. nicht zu den Features zähle, die ein Erwachsener zum Arbeiten und Kommunizieren benötigt. Das Phone liegt übrigens "gut in der Hand", wie man sagt und ist dünn und leicht genug.

Wer ein Smartphone als Haupt-Kamera nutzt, also gute bis sehr gute Bilder damit machen möchte, kann mit dem Kalle-Phone nicht glücklich werden. Die Kamera ist ziemlich lausig, trotz "HD". Sie fokussiert sehr langsam, und bis das Kinderlachen scharf gestellt ist, ist es längst weg.
Aber machen wir uns nichts vor: für ziemlich wenige Euro bekommt man (gebraucht) eine recht gute Digi-Cam, die meistens besser ist als jede Smartphone-Kamera. Da müsste man halt neben dem Phone noch eine kleine Kompaktkamera dabei haben. Ich persönlich würde es so machen, denn diese Phone-Kamera reicht mir tatsächlich nicht.

Die Batterieleistung ist nicht überwältigend, aber man kommt gut durch den Tag. Ich habe während des Tests das Phone jeden Morgen um 7 Uhr eingeschaltet, und gegen 22 Uhr war noch eine gute halbe Ladung drauf (ziemlich geringe Nutzung, ab und zu eine Partie Schach). Soweit also unser Kalle-Phone. Ganz ohne Frage ist das kein "König Kalle-Phone". Und weil wir alles etwas besser haben wollen, sind wir bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Wir wollen 4G LTE, wir wollen vielleicht auch NFC und vor allem eine bessere Kamera, wenn wir keine Kompaktkamera kaufen wollen. Und jetzt wieder die "Currywurst-Frage": wieviel mehr würden wir für bessere Features bezahlen wollen? Wir denken dabei wieder an unsere Restaurants. Das Doppelte? Ich denke schon, vielleicht sogar das Dreifache, denn schließlich nutzen wir das Gerät täglich.

Was würden Sie sagen, wenn König Kalle für eine Currywurst mit Pommes 100 Euro verlangen würde? Nicht mehr alle Latten am Zaun? Total verrückt? Richtig, denn das Verhältnis zwischen der Kalle- und der König Kalle-Wurst wäre völlig aus dem Ruder gelaufen, und niemand wäre bereit, 100 Euro für eine Currywurst mit Pommes zu bezahlen, egal wie gut sie schmeckt oder wie schön das Restaurant-Ambiente ist. Aber genau das tun wir, wenn wir ein sogenanntes Spitzen-Phone kaufen. Wir bezahlen tatsächlich den 20fachen(!) Preis eines Kalle-Phones. Das heißt, hier hat sich ein Preisbereich von der Wertewirklichkeit entkoppelt, hat sich verselbständigt. Wir halten die Preise für völlig normal. Sicher, ganz schön teuer, denken wir, aber nun, so teuer sind gute Smartphones eben, die übrigens ebenso wie das Kalle-Phone fast ausnahmslos in China zusammengeschraubt werden. Wir haben uns daran gewöhnt, bzw. man hat uns daran gewöhnt. In praktisch allen anderen Bereichen würden wir den Irrsinn bemerken. Auch ein Porsche Carrera kostet nicht das 20-Fache eines normalen Kleinwagens, also statt, sagen wir, 15.000 Euro 300.000 Euro.       

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