Friday 30 October 2015


"Die Deutschen wurden von einigen geachtet und bewundert, von vielen verlacht, von ganz vielen gefürchtet. Geliebt wurden sie nur von den Juden!" (Gisèle Freund)

"Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen." (Winston Churchill)



Warum ich mich in England wohler fühle

Ich werde nicht müde, über Deutschland nachzudenken, über die Deutschen, über dieses seltsame Völkchen, dem ich ja auch angehöre. Vor einigen Jahren habe ich die "Krankheit der Deutschen" Weltmeisterkomplex genannt. Wenn sie böse sind, dann weltmeisterlich, und wenn sie gut sind oder sich gut wähnen, dann müssen sie auch da Weltmeister sein. Entweder Auschwitz oder Weltumarmung, entweder Selbstüberhöhung oder Selbstverachtung. Darunter machen sie's nicht. Sie oszillieren zwischen diesen Polen, Augenmaß ist ihnen fremd. Wenn Heidegger meinte, man könne nur (alt-)griechisch oder deutsch denken, hat er dem deutschen Denken letztlich den Vorzug gegeben. Auch er zählt zu André Glucksmanns "Meisterdenkern", die das ganz Große und das ganz Furchtbare in Kauf nehmen, wenn es in einem schönen Aufsatz schön geschrieben wird . 

Nach 1945 zogen die Deutschen ein vorbildlich weltmeisterliches Büßerhemd an, denn, das ist klar, wenn schon büßen, dann auf Weltniveau. Und weil Deutsche im Grunde ihres Herzens Oberlehrer für alles und jeden sind, lehren sie die Israelis seit vielen Jahrzehnten die Buß- und Demutskunst. Sie, die Weltmeisterbüßer, hätten nämlich von Auschwitz gelernt, und die Juden könnten sich doch ein Beispiel nehmen am Lernerfolg der Täter. Weil auch dem letzten deutschen Deppen die Fragwürdigkeit dieser Denkfigur auffiel, mussten die Juden schnell zu Tätern umgemünzt werden. Jetzt stimmte alles wieder: die Juden verhalten sich gegenüber den Palästinensern "genauso wie Nazis" (das erleichtert den deutschen Büßer ungemein...) und haben nichts gelernt. Die Welt der Weltmeister war wieder in Ordnung, jetzt noch die anderen korrekte Mülltrennung und Energiewende lehren, und schon wird die Welt noch ein bisschen besser. Und deutscher, denn, und daran hat sich nichts geändert: am deutschen Wesen soll gefälligst die Welt genesen.     

Die Briten gelten als kühl, abweisend und wenig leidenschaftlich. Dieses Cliché kann ich nicht bestätigen. Sie sind tolerant, im lateinischen Sinne, das heißt, sie dulden auch das, was ihnen nicht gefällt. Sie gehen aber nicht so deutsch-weit, Toleranz mit Liebe zu verwechseln. Sie werfen nicht mit Teddybären und Blumensträußen, wenn ein paar hunderttausend Eindringlinge unklarer Herkunft in Dover einmarschieren. Nein, das tun sie nicht. Aber sie können auch sehr gefühlvoll, ja sentimental sein. Die gebildeten Briten heulen Rotz und Schnodder wenn sie Schuberts "Winterreise" hören und kritisieren englische Tenöre, wenn sie mit einem englischen Akzent Deutsch singen. Andere Briten sind aus dem Häuschen und jubeln sich heiser, wenn die Queen irgendwo vorbei latscht oder die "Lions" ins Viertelfinale kommen. Das ist putzig und amüsant - aber nicht bedrohlich. 
Auf der politischen Bühne geben sie sich auch nicht rigoros. Obwohl sie, im Gegensatz zu den Deutschen, islamfaschistischen Terror erleiden mussten, haben sie nicht etwa sofort alle Muslime des Landes verwiesen. Sie sind also durchaus duldsam, aber ihre Geduld ist nicht grenzenlos. Sie sind gesegnet mit etwas, das den Deutschen völlig abgeht: common sense und Augenmaß. Da vertraue ich "meinen" Briten, sie haben eine klare Vorstellung von einer Grenze, die nicht überschritten werden darf. Klare Vorstellungen von irgendwas finde ich in Deutschland nicht. 
Und deshalb fühle ich mich in England wohler.       

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